I:da

Zwölfergasse 9
1150 Wien (hinterm Westbahnhof)

Verein | Freiraum | Anarchistisches Kollektiv

http://ideedirekteaktion.at/

gibts nicht mehr!

i:da. Ein Abschiedsbrief…

…und irgendwie auch mehr.

Bereits vor einem Jahr hat sich das damalige i:da Kollektiv dazu entschieden, einen neuen Raum schaffen zu wollen, der barrierefrei ist und vor allem auch tagsüber verwendet werden kann. Eine bessere Infrastruktur und Location sollte neue Möglichkeiten anarchistischer Verwirklichung schaffen und direkte Aktion inspirieren.

Gleichzeitig hingen mit der i:da selbst eine Menge positiver Erfahrungen, Projekte und viel persönliche Arbeit zusammen. Nach einigem hin und her entschied sich eine kleine Gruppe dazu, den Versuch zu wagen und parallel zum neuen Projekt den Betrieb in der „alten“ i:da aufrecht zu erhalten. Das Lokal war ja da und konnte genutzt werden, warum sollte der Versuch einen Raum und eine Utopie nach eigenen Vorstellungen zu realisieren nicht weiter fortgesetzt werden? Wien konnte und kann jedenfalls immer noch mehr an linker Infrastruktur vertragen. Bereits damals war klar, dass es trotzdem schwierig wird einen solchen Raum, der normalerweise von einer großen Anzahl an Kollektiven und Personen verwendet wird, als kleine Gruppe aufrecht zu erhalten. Innerhalb des letzten Jahres sind jedoch neue Leute dazugekommen, die motiviert waren, die i:da wieder in Schwung zu bringen.

Heute, ein ¾ Jahr später, müssen wir uns aber eingestehen, dass es nicht gelungen ist, dieses ambitionierte Projekt durchzuziehen. Im Endeffekt waren doch zu wenige Menschen bereit, sich aktiv einzubringen, um den Raum am Laufen zu halten. Die Zeit, die in die Strukturerhaltung investiert werden musste, fehlte immer mehr auf der inhaltlichen Ebene. Auch wenn stets klar war, dass die i:da ein anarchistisches Kollektiv ist, fehlten schlichtweg Zeit und Ressourcen, den Raum mit Leben zu füllen. Was blieb war eine Zeit lang der reine Barbetrieb. Schließlich funktionierte auch der aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr.
Wir wollen jedoch nicht einfach aufhören und verschwinden, sondern zumindest noch einige Denkanstöße mitgeben, denn die Auflösung der i:da ist nicht nur eine „interne Angelegenheit“, sondern auch im Kontext der Verhältnissen der Gegenwart zu betrachten.

1. Einerseits allgemein, gesellschaftspolitisch: Gerade in Zeiten, in denen die permanente Krise des Kapitalismus als offensichtliche „Krise“ von Staat, Kapital, erscheinen, aber auch ganz umfassend Geschlechterverhältnisse, Kultur und vieles andere beeinflussen, sind libertäre Projekte, die gelebte Tat, wichtiger denn je. Soziale Bewegungen stehen heute – obwohl das wohl den wenigsten Akteur_innen bewusst ist – unter „Erfolgsdruck“. Es geht heute nicht nur um das eigene schöne Leben, die Krise des herrschenden Systems führt zu gesellschaftlichen Zuspitzungen, die u.a. einen seit Jahren merkbaren Rechtsruck befördern, soziale Absicherungen zerstören und das Modell „Überwachungsstaat“ immer manifester werden lassen. Schlussendlich werden die tiefgreifenden Veränderungen auch für Linke den „Kampf ums Überleben“ schärfer werden lassen. (Ein Blick über den eigenen Tellerrand z.B. nach England reicht um dies nicht als bloße Schreckensgeschichten abtun zu können.) In diesem Kampf sind „Freiräume“ – sowohl im Sinne von Rückzugs- als auch Ausgangsräumen für Bewegungen von zentraler Bedeutung. Was diese „Verräumlichung“ sozialer Bewegungen angeht ist Österreich – trotz einiger erfreulichen Entwicklungen gerade in Wien – immer noch rückständig. Es bedürfte nicht nur mehr Räume, auch wäre es wünschenswert, wenn sich bestehende Initiativen stärker vernetzen, aus ihren Löchern kommen und das Gemeinsame hervorkehren. Veranstaltungen wie die „lange Nacht der Anarchie“ letzten Mai sind hier eindeutig begrüßenswert; darüber hinaus wäre aber einmal zu überlegen, ob und wie linke Räume sich gegenseitig auch finanziell und organisatorisch unterstützen können. Es geht einfach nicht an, dass bestehende Initiativen wie „Klein(bürgerliche)-Unternehmen“ denken und agieren müssen und ähnlich isoliert vor sich hinwerken. Es muss ein Anspruch an eine soziale Bewegung sein, dass sie ihre Strukturen solidarisch erhält und stützt – über räumliche Grenzen hinaus. Modelle der Co-Finanzierung (etwa zwischen gut und schlecht funktionierenden Räumen), aber auch Überlegungen hinsichtlich gemeinsamer Fonds und Stiftungen, wie es sie in Deutschland zuhauf gibt, sollten auch hier auf die Tagesordnung kommen. Wir müssen der Prekarisierung, der Angriffe eines repressiven Staates und nicht zuletzt auch den immer unverblümter auftretenden rechten Kräften starke eigene Strukturen entgegenstellen!

2. Andererseits aber auch mit Hinblick auf die hiesige Linke und ihre Organisierung: Ein großer Teil der Wiener radikalen Linken scheint mit der gesellschaftlichen Situation überfordert und antwortet mit alten Mustern, die sich seit Jahrzehnten nicht bewährt haben. Dogmatismus, Elitarismus Sektiererei, inhaltliches Schwarz/Weiß-Denken und eine übertriebene Kultivierung des eigenen „Szenesumpfs“ (samt Klatsch und Tratsch der manchmal selbst noch die Krone Zeitung klein aussehen lässt). An vielen scheinen die „Zeitereignisse“ ohnehin vorüberzugehen, da sie sich im eigenen Mikrokosmos wohlfühlen und kaum darüber hinausdenken können. Die Enge einer so gestalteten „Szene“ ist sicherlich eine Erfahrung, die viele der in der i:da im letzten ¾ Jahr Beteiligten mitnehmen werden. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, wie schnell die offensichtlich unkontrollierbaren „Dynamiken“ von Gunst und Ungunst in der Szene wechseln können – war die i:da vor wenigen Jahren noch ein zentraler Treffpunkt für viele Menschen, bis zu einem Grad, der die räumlichen und persönlichen Kapazitäten des Projekts zu sprengen drohte, so flaute das Interesse innerhalb weniger Monate merklich ab. Der besagte Gossip, üble Nachrede und (daraus resultierende) falsche Vorstellungen über das Projekt dürften dazu beigetragen haben. Selbst wenn für diese Dynamik niemand verantwortlich gemacht werden kann, sie quasi naturhaft regelmäßig zu einer „Konjunktur“ von Räumen führt, die gerade „in“ oder „out“ sind, wirft das ein trauriges Licht auf die hiesige Linke: Anstatt auf transparente Diskussionen, Nachfragen bei der „neuen Gruppe“ oder andere Formen des unmittelbaren und bewussten Austausches zu setzen, verläuft scheinbar vieles „hinter dem Rücken“, unbewusst und ohne selbstbestimmte und gezielte Handlungen der Involvierten als Teil eines größeren Ganzen. Das ist nicht nur für die Menschen, die nun noch in der i:da sind, frustig, es ist auch in zweierlei Hinsicht problematisch: zum einen, da es von der fehlenden Offenheit und Kommunikation in der „Szene“ zeugt; zum anderen, da dadurch ein bestehender Raum, eine lange und mühsam aufgebaute Struktur einfach so einem auf Halbwahrheiten und kaum artikulierbaren „Stimmungen“ beruhenden „Trend“ geopfert wurde.

Wir denken hingegen, dass diese Struktur erhaltenswert war und ist: Die i:da war ziemlich genau fünf Jahre lang ein Projekt, das den Versuch gestartet hat, aus diesen verkrusteten Mustern auszubrechen und Platz für etwas Anderes zu schaffen. Im Laufe der Zeit wurde die i:da von vielen Seiten in Anspruch genommen. Der Raum wurde genutzt, um Soli-Veranstaltungen für Freund_innen und Gruppen durchzuführen, die unter staatlicher Repression litten. Die Türen waren offen für Geburtstagspartys sowie Solipartys, Demovorbereitung, Workshops, Filmabende, Siebdruck, auch Bücher- und Hörspielabenden und Diskussionsveranstaltungen wurde Platz gegeben. Aber auch die scheinbar „unpolitischen“ Partys und Biertresen erfüllten eine wichtige Funktion, denn politische Sozialisierung funktioniert – ob das nun gut oder schlecht ist sei dahingestellt – de facto ganz stark über (sub-)kulturelle Bezüge, symbolische Aufladungen und die Art und Weise, wie „Freizeit“ und „Party“ verbracht werden. In dieser Hinsicht kann auch das regelmäßige Besäufnis wichtig sein – es reicht sicher nicht aus für eine umfassende Politisierung; findet es jedoch in einem „geänderten Milieu“ statt, so kann das eine relevante Sog-Wirkung gerade auf neu Dazugekommene und ein interessiertes Umfeld haben. Dies ist auch bei der Einschätzung von Projekten nicht zu vergessen, gerade wenn natürlich die explizite „inhaltliche Arbeit“ oft lohnender und ehrwürdiger erscheint. Ziel war es dabei jedenfalls stets, einen Raum für bereits politisierte Zusammenhänge zu schaffen, der aber trotzdem nach außen hin möglichst offen bleibt. Das hat sicherlich über die Zeit mal mehr und mal weniger gut geklappt. Es war aber zumindest immer ein Anspruch den Versuch einer Gratwanderung zu wagen zwischen radikaler Öffnung für Neues und Experimente und den bewährten „linken“ Prinzipien, die den Schutz der Involvierten und gewisse inhaltliche Standards gewährleisten. In dieser Hinsicht sehen wir die i:da immer noch als einzigartigen Raum an und betrachten das Ende mit großer Trauer.

Die Ressourcen für mehrere libertäre Räume scheinen aber zumindest momentan in Wien so nicht gegeben. Dies hat im Einzelnen viele Gründe und das Dümmste wäre es hier, in konkrete Schuldzuweisungen zu verfallen. Es sollte jedoch progressiven sozialen Bewegungen immer zu denken geben, wenn sie in Zeiten von Krise und politischer Radikalisierung von Rechts Strukturen aufgeben müssen, anstatt beständig Neue zu schaffen. Wer dies nicht versteht und das Scheitern der i:da nicht auch in diesem Zusammenhang sieht und bedauert hat unserer Meinung nach etwas Grundlegendes nicht verstanden.

Wie es nun endet wird sich bis Ende September erweisen – bis dahin wird die i:da noch in der bisherigen Form existieren. Einige wenige, die dafür weder soziales Prestige noch Beachtung erhalten, haben die undankbare Aufgabe der Abwicklung des Untergangs übernommen. Im September wird es einige letzte Partys geben und wir würden uns freuen, dort viele Leute zu sehen, die schöne Erinnerungen mit der i:da verknüpfen oder auch ihre Solidarität mit dem Projekt und den Menschen, die bis zuletzt reinhackeln, beweisen wollen. Also: Bringt euch ein, gehen wir gemeinsam taktvoll unter!

Darüber hinaus rufen wir dazu auf, dieses Ende produktiv zu nützen für eine nötige Diskussion – sei es an diversen Bartresen, zu Hause, in einschlägigen Onlineforen oder eben in Form von öffentlichen politischen Diskussionen und Stellungnahmen (an uns geschickte werden wir auf der Homepage veröffentlichen). Wir müssen uns klar werden, dass wir uns und unsere Räume bewusst organisieren müssen, um nicht nur das „kleine Eigene“ zu schützen, sondern auch in die Gesellschaft hineinzuwirken und uns den nötigen Kämpfen zu stellen.