NoWKR 2014 RAW-Nachbericht

NoWKR 2014 RAW-Nachbericht

In den letzten 20 Jahren gab es immer wieder kleinere und groeszere
Proteste gegen Veranstaltungen von Burschenschaftern und anderen
Korporierten. Erwaehnenswert sind etwa der “Gesamttiroler
Freiheitskommers” 1994 in Innsbruck und der Festkommers in Wien 1996,
als Deutschnationale unter dem Motto “1000 Jahre Ostarrichi –
Oesterreichs Beitrag zur deutschen Geschichte und Gegenwart” in die
Hofburg einluden. Eine Podiumsdiskussion im Festsaal der Universitaet
Wien konnten die Burschenschafter damals ebenso wenig durchfuehren wie
einen geplanten Festzug von der Uni zur Hofburg.[1]
Ebenfalls erwaehnenswert sind der im Mai 1998 von der “ARGE 1848”
ausgerichtete “Revolutionskommers” der Deutschen Burschenschaft
(ebenfalls in der Hofburg). Damit wollten sich Burschenschafter, wie
auch derzeit haeufig, als “wahre Demokraten” stilisieren und von ihren
voelkischen groszdeutschen Idealen und ihrer wichtigen Rolle im
Nationalsozialismus ablenken. Seither und dazwischen gab es immer wieder
kleinere Demos, Kundgebungen und Aktionen gegen das Burschenschafter-
und Korporationsunwesen.

Seit 2008 steht der WKR-Ball bzw. der Nachfolger Akademikerball im
Zentrum antifaschistischer Proteste gegen voelkische Verbindungen. Wurde
zu den Protesten anfangs primaer von der OeH, Basisgruppen an den Unis
und autonomen Gruppen aufgerufen, wurde der Protest im Laufe der Zeit
breiter: Ab 2010 begannen auch vermehrt zivilgesellschaftliche
Initiativen, sich dem Thema WKR-Ball und Burschenschaften im Allgemeinen
anzunehmen. 2012, als der WKR-Ball mit dem Tag der Auschwitz-Befreiung
zusammenfiel, schlossen sich zivilgesellschaftliche Gruppen als “Jetzt
Zeichen setzen!” zusammen, waehrend sich ein internationalistisches
Buendnis bildete und ein antinationales (wie schon im Jahr zuvor)
mobilisierte. Von 2010 bis 2012 gab es ein dezitiert queerfeministisches
Buendnis, das zu Aktionen gegen Burschenschaften aufrief. Neben den
Buendnissen rufen viele weitere Gruppen und Personen zu Protesten gegen
das rechtsextreme Event auf.

Akademikerball 2014

Vor den Protesten gegen den Akademikerball 2014 gab es eine breite
Mobilisierung von “Jetzt Zeichen setzen”, der “Offensive gegen Rechts”,
dem “Nowkr”-Buendnis und vielen anderen Gruppen. Doch in diesem Jahr
setzten, vielleicht durch die erfolgreichen Blockaden 2013, die
Repressionsbehoerden auf einen immensen Einsatz der ihnen zur Verfuegung
stehenden Mittel und damit einhergehend auf eine massive
Kriminalisierung der Proteste.
Eine riesige Sperrzone neuen Ausmaszes (die Sperrzone beim Besuch des
damaligen US-amerikanischen Praesidenten George Bush war kleiner), ein
generelles Vermummungsverbot von 15:00 bis 03:00 am naechsten Tag und
ein Verbot fuer Journalist_innen in der Sperrzone sorgten schon im
Vorfeld fuer Empoerung und Verunsicherung.

Das Vermummungsverbot gilt in Oesterreich bei jeder Versammlung. Beim
Akademikerball 2014 wurde es auf die Wiener Bezirke 1-9 ausgeweitet,
betraf somit das gesamte Gebiet innerhalb des Guertels, und ermoeglichte
es der Polizei jeden Menschen unter Generalverdacht zu stellen, Recht
auf Ausweiskontrolle und Durchsuchung inklusive. Heftige Kritik uebten
die Medien auch am Presseverbot in der Sperrzone: Journalist_innen war
der Zutritt nur ein halbe Stunde und nur in Polizeibegleitung erlaubt.
Als Argument wurde die von den Protesten ausgehende “Gefahr” angefuehrt.
Ein Argument also, welche die Demonstrierenden wieder einmal
kriminalisiert und versucht diesen massiven Einschnitt in die
Pressefreiheit als “Schutz” darzustellen.

Einen weiteren traurigen Hoehepunkt im Vorgehen der Polizei stellte die
Verunmoeglichung der “Jetzt Zeichen setzten”-Kundgebung am Heldenplatz
durch die Sperrzone dar. Geplant war das auf der Kundgebung
KZ-Ueberlebende sprechen und Ueberlebenden Platz zu nehmen und ihn
Burschenschaften zu geben ist selbst fuer die oesterreichische Polizei
mehr als zynisch.

Am Abend des Akademikerballs waren mindestens 8000 Menschen auf der
Strasze, um ihrem Protest gegen den Ball Ausdruck zu verleihen. Im
Anschluss an die zwei Demonstrationen von “Offensive gegen Rechts” und
“nowkr” kam es zu mehreren Blockaden und Blockadeversuchen.
Polizist_innen pruegelten immer wieder auf Demonstrierende ein, setzten
massiv Pfefferspray ein und kesselten stundenlang hunderte Personen bei
Temperaturen um Null. Die Akademie der Bildenden Kuenste wurde
stundenlang von einem groszen Polizeiaufgebot belagert. Unzaehlige
Personalien wurden aufgenommen und mindestens 14 Personen festgenommen.
Einer der Festgenommenen, J., wurde mehrere Wochen in Untersuchungshaft
gesteckt.

Scheiben klirren und ihr schreit…

Das Medienecho war grosz in den Tagen nach den Demonstrationen, die
Gemueter waren erhitzt: Mitten in Wien waren Scheiben eingeschlagen und
Mistkuebel umgekippt worden!
Schuld wurde der Polizei und vor allem “dem Schwarzen Block” gegeben.
Der Polizei wurde vorgeworfen die “Riots” am Stephansplatz nicht
verhindert zu haben und nicht fuer den Schutz der Passant_innen gesorgt
zu haben (es wurden, wohlgemerkt, keine Passant_innen angegriffen). “Der
schwarze Block”, laut ORF eine “chaotische aber gut koordinierte
Organisation”, wurde als eine von auszen, also von anderen Laendern
kommende, Gefahr dargestellt. Er wuerde die oesterreichischen
friedlichen Proteste ausnuetzen um seine “Gewalttaten” zu begehen. Dass
an dem Abend trotz 2000 im Einsatz befindlicher Polizist_innen
ausgerechnet dann kaum Polizei am Stephansplatz war, als der
daemonisierte “Schwarze Block” dort eintraf, laesst neben der
Interpretation einsatztechnischer Versagen auch jene Interpretation zu,
dass die Polizei genau diese Bilder wollte, um auch nur irgendwie die
groszflaechige Sperrzone, das Vermummungsverbot und die Einschraenkung
der Pressefreiheit legitimieren zu koennen.
Diese “Gewalttaten” aeuszerten sich in Muelltonnen und Blumentroegen,
die entweder als Straszenbarrikaden oder zum Zurueckdraengen der Polizei
verwendet wurden, einigen demolierten Fahrzeugen und eingeschlagenen
Fensterscheiben, die nach kurzer Zeit ausgetauscht wurden. Der Spuk war
in derselben Nacht schon wieder vorbei, der Sachschaden duerfte von der
Wirtschaftskammer oder den Versicherungen gedeckt werden.
In den Medien wurde von 5 verletzten Polizist_innen und 17 verletzten
Demonstrant_innen, niemand davon schwer, berichtet. Das sind die
offiziellen Zahlen der Polizei, es gibt allerdings Berichte, dass bei
der Infozentrale der Offensive gegen Rechts zwei Katastrophenzuege der
Rettung zur Versorgung der verletzten Demonstrant_innen notwendig waren.
Auf YouTube-Videos gibt es mehrere Sequenzen, wo Pfefferspray in groszen
Mengen und aus naechster Naehe mitten in die Gesichter der
Demonstrant_innen eingesetzt wurde und auch die WEGA setzte Gewalt wie
immer nicht gerade zoegerlich ein.
Dass die offiziellen Zahlen nicht hoeher sind, liegt wohl auch an der
laufenden Kriminalisierung von antifaschistischem Protest:
Polizeipraesident Puerstl redete davon die Protestierenden “zur Strecke”
zu bringen, was auf eine eindeutige, aber sicher nicht unparteiische,
Position zu den Protesten gegen Voelkisch-Deutschnationale hinweist. Das
ist keine Ueberraschung, denn Puerstl war selber einmal bei einer
schlagenden Burschenschaft. Er erklaerte noch dazu in einer
TV-Diskussion, er wuerde sich Patient_innenakten besorgen um das zu
ermoeglichen. War es schon lange schwierig, die Polizei der
Koerperverletzung zu bezichtigen, weil die Polizei sofort mit einer
Gegenanzeige antwortet, so hat Puerstl die Kriminalisierung Betroffener
von Polizeigewalt mit dieser datenschutzrechtlich fraglich bis illegalen
Aussage noch eins drauf gegeben.
Bezeichnend ist die Debatte zum Thema Gewalt, die in den naechsten Tagen
die Medien bestimmte. Rechtsextreme aus der FPOe und Medien forderten
die Gruenen auf, sich von “dem Schwarzen Block” zu distanzieren und
besonders die FPOe und der Kurier begannen, gegen einzelne
Antifaschist_innen zu hetzen und sie zu kriminalisieren.

…Menschen sterben und ihr schweigt

Ueber die FPOe, rechtsextreme Granden und Burschenschaften, die den Ball
nutzen um sich international zu vernetzen, wurde nur noch am Rande
geredet. Gewaltdebatten wie diese, in denen nicht zwischen
Sachbeschaedigung und Gewalt an Menschen unterschieden wird und
strukturelle Gewalt sowieso ein Fremdwort ist, kommen leider viel zu oft
vor.
Gerade die FPOe und andere rechtsextreme bis neonazistische
Gruppierungen tragen durch ihre hetero-/sexistischen, rassistischen und
antisemitschen Forderungen und Aussagen dazu bei, den gesellschaftlichen
Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben. Diese
Diskursverschiebung geht mit konkretem Handeln einher, das in den
letzten Jahren zu vielen Verletzten und Toten gefuehrt hat, und hat
immer restriktivere rassistische Gesetze zur Folge, die den Behoerden
gewaltvolleres Vorgehen ermoeglichen. Das scheint in den Debatten um
Gewalt allerdings nicht der Rede wert zu sein.
Wenn sich herausstellt, dass rechtsextreme Angreifer_innen aus den
Reihen der FPOe, Burschenschaften oder ihrem Umfeld kommen, in
Oberoesterreich Waffenlager von Neonazis gefunden werden und Behoerden
taeglich traumatisierte Menschen in Abschiebelager oder Schubhaft
stecken, so ruft dies keine Debatte um Gewalt hervor, werfen einige
Vermummte Muelleimer um und verwenden Pyrotechnik, ja dann, ja dann ist
die Empoerung grosz!
Nicht ueberraschend, aber dennoch bedauernswert, wenn erklaerte
Antifaschist_innen auf diese Gewaltdebatte einsteigen: Zugunsten einer
wohlwollenden Berichterstattung werden Anarchist_innen, Antinationale,
Autonome oder eben “der Schwarze Block” auch von Linken kriminalisiert.

No Borders, No Ordners

Was dann in Linz passierte, kann mensch wahrscheinlich nur in Verbindung
mit der Medienberichterstattung erklaeren. Bei der Demonstration gegen
den alljaehrlichen Burschenbundball in Linz am 8. Februar wurde der
antinationale Block von jungen Gewerkschafter_innen und sogenannten
Aktivbuerger_innen an das Ende der Demonstration gedraengt, eine Kette
von Ordner_innen trennte unablaessig den Block von der restlichen
Demonstration ab. Danach wurde bekannt, dass waehrend der Demo der
Polizei von Seiten der Ordner_innen mitgeteilt wurde, der antinationale
Block waere nicht Teil der Demonstration. Damit hatte die Polizei noch
mehr Moeglichkeiten gegen die beteiligten Demonstrant_innen vorzugehen.
Grund genug also um allen Gruppen die diese Praxis gutheiszen und sich
nicht distanzieren, kuenftig kein Vertrauen mehr entgegen zu bringen und
jegliche Kooperation zu unterlassen.

[1] Dass bei der antifaschistischen Gegendemo erstmals ein autonomer
FrauenLesbenMaedchen-Block die Demospitze bildete, wollen wir
ebensowenig unerwaehnt lassen wie die Tatsache, dass eben dieser aus der
antifaschistischen Demo heraus angegriffen wurde, trotz Demomotto
“Zerschlagt alle Maennerbuende” – vielen war das anscheinend zu viel
Feminismus.